Ausführliche Stellungnahme der LILIEN FANHILFE zum Polizeieinsatz in Magdeburg

Beim ersten Spiel der Darmstädter Vereinsgeschichte in Magdeburg mussten die mitgereisten Lilienfans leider direkt schlechte Erfahrungen machen. Dies lag allerdings nicht am gastgebenden Verein oder am sportlichen Abschneiden der Lilien, sondern vielmehr an der für den Gästebereich eingesetzten Polizeieinheit, der BFE (Beweis- und Festnahme Einheit) Thüringen.

Nachdem mehrere Fanbusse aus Darmstadt von der Polizei in einer 1,5-stündigen Irrfahrt durch das Magdeburger Umland zum Gästeblock geführt wurden und voll kooperativ waren, empfing sie am dortigen Busparkplatz nicht nur eine früher angereiste Busbesatzung, sondern auch eine unvermittelt aggressiv auftretende Polizeieinheit. Ohne erkennbaren Grund wurden die Fans, die sich sammelten, um gemeinsam zum Stadion zu laufen, körperlich bedrängt, geschubst und beleidigt. Die Aufforderung „Verpiss Dich!“ gehörte dabei noch zum freundlicheren Umgangston der eingesetzten Beamten, die eine Erklärung schuldig blieben wohin man sich begeben solle, ohne vom nächsten Kollegen wieder in die andere Richtung beordert zu werden. Einige Lilienfans taten ihren Unmut über dieser Behandlung lautstark kund, suchten jedoch keine körperlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei. Als nach kurzer Zeit schließlich alle Fans aus den vier Bussen ausgestiegen waren, setzte man sich gemeinsam in Richtung Stadion in Bewegung.

Bereits in dieser Situation haben Beamte der Thüringer BFE Leute aktiv daran gehindert die Situation ihrerseits zu filmen oder Fotos vom Geschehen zu machen. Die Beamten drohten den Betreffenden Personen mit körperlicher Gewalt, Anzeigen sowie Beschlagnahmung der Kameras/Handys und belogen die Fans über ihre Grundrechte.

Gerade als der Marsch von ca. 200 Personen (bestehend aus den Mitgliedern der Ultrà-Gruppen, den Busreisenden aus dem alkoholfreien Bus der Fan- und Förderabteilung, sowie eines der ältesten Lilienfanclubs) geleitet und flankiert von der Polizei von der Straße auf einen zum Gästeblock führenden Schotterweg abbog, stürmten zirka 20 Beamte der Beweis- und Festnahmeeinheit wahllos um sich schlagend in die Fangruppe. Sie nahmen dabei keinerlei Rücksicht auf anwesende Kinder, ältere Personen oder einen Rollstuhlfahrer und griffen wahllos mit Faustschlägen, Tritten und dem Schlagstock völlig überraschte Lilienfans an. Dabei wurde auch ein etwa zehnjähriges Mädchen von Polizisten umgerannt. Auch Personen, die durch ihr Verhalten eindeutig ihre Passivität gegenüber den Beamten signalisierten, erhielten gezielte Schläge ins Gesicht und Tritte gegen Beine und Oberkörper. Ein Fanbeauftragter des SV 98 wurde von der Polizei erkannt, allerdings am Schlichten gehindert und in ein Gebüsch geschubst. Zwei Fans wurden in dieser Situation von den Polizisten weggetragen und in Gewahrsam genommen. Die Polizisten schlugen und traten in dieser Situation nicht nur gegen Fans, die in der Nähe der Festgenommenen standen, sondern auch gegen Unbeteiligte in mehreren Metern Entfernung zum Geschehen.

Ein weiterer Fan, der nach der Beruhigung der Situation auf einen Polizisten zum Erfragen seiner Dienstnummer zuging, da er aufgrund des widerrechtlichen und brutalen Angriffs Anzeige gegen ihn erstatten wollte, wurde unvermittelt von mehreren Beamten abgeführt, ergebnislos durchsucht und seinerseits von den Beamten wegen angeblichen Widerstands gegen die Polizei angezeigt.

Insgesamt wurden neun Lilienfans verletzt, davon mussten zwei Fans vor Ort behandelt werden, einer davon im Krankenhaus. Sieben weitere Fans suchten nach ihrer Rückkehr in Darmstadt ein Krankenhaus auf. Das Engagement von Anwälten, die uns durch die Fanhilfe Magdeburg vermittelt wurden, wurde polizeilich erschwert, die Kontaktaufnahme zu den festgenommenen Lilienfans verhindert.

Auch nach dem Spiel legten die Beamten der BFE Thüringen ein für alle Anwesenden auffällig provokantes Auftreten an den Tag. Während alle Reisebusse noch auf einen verletzten Rückkehrer aus dem Krankenhaus warteten, liefen mehrere Beamte ohne erkennbaren Grund immer wieder durch wartende Fans und suchten die körperliche Nähe, offenbar in der Hoffnung, dass ein Lilienfan unbesonnen auf Rempler reagieren würde, um so einen Vorwand zur erneuten Eskalation zu haben. Andere Beamte stellten sich breit grinsend direkt an die Eingangstür eines Reisebusses, so dass zusteigende Fans den weiterhin provozierenden Sprüchen der Beamten und „zufälligen Berührungen“ nicht aus dem Weg gehen konnten. Dieses Verhalten war derart offensichtlich, dass es ausschließlich als bewusste Provokation von Fans gewertet werden kann. Wir danken daher allen Betroffenen für ihr enorm besonnenes Verhalten an diesem Tag.

Nach wie vor gilt unsere Aufforderung an alle betroffenen Fans oder Zeugen der Vorfälle, sich ihre Verletzungen ärztlich attestieren zu lassen und möglichst genaue Gedächtnisprotokolle anzufertigen!

Bitte ladet Foto- oder Videoaufnahmen des Einsatzes nicht in Social-Media, Youtube oder Whatsapp-Gruppen hoch, sondern leitet sie an unsere Fan-Anwältin Eva Dannenfeldt unter dannenfeldt(AT)dannenfeldt-rumpf.de weiter, um zu einer sachlichen Aufarbeitung des polizeilichen Angriffs auf die nach Magdeburg gereisten Lilienfans beizutragen.

Wenn auch ihr in diesem Zusammenhang von Polizeigewalt oder Repression betroffen seid, oder aber zur Aufklärung des Vorfalls beitragen könnt, kontaktiert uns bitte unter lilien-fanhilfe(AT)gmx.de

Wir fordern Politik und Polizei in Magdeburg und Sachsen-Anhalt auf, diesen Einsatz der Thüringer Polizei lückenlos und transparent aufzuklären und die randalierenden Polizeibeamten der BFE Thüringen für ihr Verhalten zur Verantwortung zu ziehen! Wir solidarisieren uns mit allen Opfern dieser Polizeigewalt und appellieren an Verein und Fanszene dies ebenfalls zu tun!

An Journalisten und Medien, die sich mit diesem Einsatz beschäftigen, appellieren wir, ihre Arbeit gründlich und mit Augenmerk auf journalistische Qualitätskriterien zu recherchieren. Eine Meldung lediglich auf Grundlage der Pressemeldung der Polizei zu veröffentlichen, ist einseitig und kann im Ergebnis nur tendenziöse Berichterstattung sein. Schlagzeilen von „randalierenden Fans“ und „Fan-Ausschreitungen“ zu veröffentlichen, ist eine Umkehr von Tätern und Opfern der Vorfälle in Magdeburg. Solche Meldungen sind für die Verletzten der blanke Hohn und ein (erneuter) Schlag ins Gesicht!

Lilien Fanhilfe
Darmstadt, den 20.08.2018